#101 caritalks - Sexualität im Altenheim: „Das Selbstbestimmungsrecht hat bei uns oberste Priorität“
Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung gilt unabhängig vom Alter. Auch Menschen mit Demenz oder Beeinträchtigungen haben Bedürfnisse nach Nähe, Zärtlichkeit und Sexualität. Doch wie gehen Senioreneinrichtungen mit diesen Wünschen um? Antworten von Pflegedienstleiterin Anna Direktor und der Präventionsbeauftragten Susanne Sponsel aus dem Altenheim St. Ludgeri-Stift in Essen-Werden.
Anna Direktor erklärt, dass Sie und ihre Mitarbeitenden, die Sehnsucht von Bewohnerinnen und Bewohnern nach Nähe und Sexualität als ganz natürliche Wunsch anerkennen. „Das war nicht immer so“, erinnert sich die Pflegefachfrau, diese Erkenntnis habe sich in der Pflege erst in den letzten Jahren durchgesetzt. „Früher wurde nicht darüber gesprochen, heute ist es ein normales Thema in der Pflege.“
Selbstbestimmungsrecht und Einvernehmlichkeit
Bei orientierten Bewohnerinnen und Bewohnern ist Sexualität auch heute noch ein Tabuthema. Demente Bewohnerinnen und Bewohner zeigen ihre Gefühle meist offener oder sprechen sie sogar an: „Kannst Du mich in den Arm nehmen?“ Die beiden Fachfrauen erklären, dass auch demenziell veränderte Menschen ihre Zuneigung, aber auch ihre Ablehnung deutlich zeigen und Grenzen setzen, wenn sie sich bedrängt fühlen. Wichtig für Pflegende sei, Beobachtungen mit dem Team in Fallbesprechungen zu teilen. Im Ludgeri-Stift werden die Mitarbeitenden in Schulungen, z. B. zum Thema Demenz, intensiv auf solche Situationen vorbereitet. In den Präventionsschulungen lernen sie, worauf sie achten müssen, um Anzeichen von Grenzverletzungen und Übergriffen frühzeitig zu erkennen. Dabei sind Pflegende manchmal auch selbst Übergriffen durch Bewohnerinnen und Bewohner ausgesetzt. Wie schützen sie sich selbst und behalten dabei den Menschen im Blick? Die Pflegepraktikerinnen raten dringend dazu, sich im vertraulichen Gespräch an Leitungen oder die Präventionsbeauftragte zu wenden.
Liebe und Sex im Altenheim
Anna Direktor erinnert sich an ein Paar, das sich im Ludgeri-Stift kennen und lieben gelernt hat. Das Pflegepersonal hätte den Liebenden Zweisamkeit ermöglicht und auch die Angehörigen informiert. Oft seien es die Angehörigen, die nicht damit umgehen können, dass der betagte Papa oder Opa körperliche Nähe und Zärtlichkeit wünscht. Sexualbegleiter, Sexualassistenten und professionelle Berührerinnen bieten ihre Dienste auch für Menschen in Altenheimen an. Wie stehen die Pflegepraktikerinnen zu diesem Thema? Direktor erinnert sich, dass die Tochter eines Bewohners vor einigen Jahren eine Sexualtherapeutin für ihren Vater engagiert hat und wie positiv der Besuch damals abgelaufen ist. Auch dies sei Teil des Selbstbestimmungsrechtes der Bewohnerinnen und Bewohner.
Die Podcast-Episode entstand als Beitrag zur Ausgabe 2/2025 des Zeitschrift Caritas in NRW „Sozialeinrichtungen und der Umgang mit Sexualität“. Das Heft ist ab Anfang April zu beziehen. https://www.caritas-nrw.de/
Hören Sie zum Thema auch die caritalks-Episode 100. Ein Gespräch mit Friederike Börner, der Präventionsbeauftragten der Malteser Wohnen & Pflegen gGmbH.
Infos zum St. Ludgeri-Stift in Essen-Werden https://www.ludgeri-stiftung.de/